Warum ist der Feldhamster bedroht? Als Kulturfolger konnte sich der Feldhamster erst mit der Landwirtschaft stark ausbreiten. Bis in die 1980er galt er als Ernteschädling, der bejagt und mit Gift bekämpft wurde. Dass die Art heute vom Aussterben bedroht ist, verdeutlicht die Auswirkungen der intensivierten Landwirtschaft auf Offenlandarten. Denn viele Todesursachen des Feldhamsters stehen entweder direkt oder indirekt in Zusammenhang mit der modernen Landwirtschaft und der Agrarpolitik.
Die Struktur der Agrarflächen
Die intensivierte Landwirtschaft wirkt sich negativ auf den Lebensraum des Feldhamsters aus. Frühere Erntetermine durch die Umstellung von Sommer- auf Wintergetreide führen zu einem abrupten Verlust von Deckung vor Fressfeinden. Es ist üblich, sehr flach am Boden zu ernten und die Stoppeln zudem zeitnah unterzupflügen, wodurch an der Oberfläche kein Rückzugsraum bleibt. Fehlen außerdem Hecken, junge Brache oder Ackerstreifen ist der Feldhamster dann leichte Beute für Greifvögel oder Füchse. Als Folge effektiver Erntetechnik verliert der Feldhamster ebenso plötzlich seine Nahrung. Oft fehlt ihm so nicht nur die Möglichkeit, einen zweiten oder gar dritten Wurf durchzubringen, sondern auch ausreichend Vorräte für den Winter anzulegen. Monokulturen wirken sich drastisch aus, weil einerseits im Frühjahr nach dem Winterschlaf die wichtige Nahrung fehlt und andererseits die Felder z.B. nach der Maisernte im Herbst brach liegen. Außerdem ist er bedroht durch die Verwendung von Pestiziden und von Nagergiften in seinem Lebensraum.
Zerschneidung und Versiegelung Lebensräumen
Unsere Kulturlandschaft wird zunehmend stärker durch den Verkehr geformt. Die Zerstückelung von Lebensräumen durch die Infrastruktur erschwert den genetischen Austausch und führt zu einer drastischen Verinselung der letzten verbliebenen Populationen. Die Straßenüberquerung ist eine weitere Todesursache. Durch die Versiegelung von Flächen verschwinden Lebensräume ganz. Um den Feldhamster zu schützen, dürfen Bauprojekte nicht auf Flächen genehmigt werden, wo die Art vorkommt.
Gemeinsame Europäische Agrarpolitik
Wesentliche Strukturen der Landwirtschaft sind durch die gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) vorgegeben. In einer Stellungnahme wiesen mehrere Wissenschaftsakademien auf die vielfältigen Ursachen des Rückgangs von Biodiversität hin und entwickelten in diesem Zusammenhang Empfehlungen für eine Überarbeitung der GAP. Gegenwärtig fokussiert die GAP u.a. die Steigerung von Erträgen und wirkt sich entsprechend negativ auf die Biodiversität aus. Insbesondere Förderbedingungen auf EU-Ebene könnten aber ein sinnvolles Instrument zur Stärkung der Artenvielfalt sein.
Wichtig wären beispielsweise Anreizkompensationen, in Form eines finanziellen Ausgleichs an Landwirte für Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität (in Abhängigkeit der Bodenqualität). Diesem Themenfeld gehen wir im Filmprojekt „Die letzten Feldhamster“ mit Interviews nach. Der Lebensraum Feld und die Auswirkungen moderner Landwirtschaft werden beispielhaft an weiteren Arten aufgezeigt. Die Aufklärungsarbeit weist über die konkrete Situation des Feldhamsters hinaus. Als Art mit hohem Reproduktionspotential, die dennoch vor dem Aussterben steht, bietet die Beschäftigung mit dem Feldhamster einen kritischen Zugang zur Frage nach dem Zustand der Landwirtschaft.
Schutzstatus des Feldhamsters
Der Feldhamster ist vom Aussterben bedroht. In der Roten Liste Deutschlands wird diese Einstufung in einem besonders hohem Maß an die Verantwortung Deutschlands geknüpft. Nach der FFH-Richtlinie gehört der Feldhamster zu den geschützten Tierarten (FFH-Richtlinie EG 2013/17, Anhang:IV). Er wird ebenso im Anhang II der Berner Konvention als streng geschützte Art aufgeführt (92/43/EWG, Anhang II) und ist demnach gleichermaßen durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt (§7 Abs. 2 Nr.14b BNatSchG). Auch weltweit gilt die Art als “kritisch gefährdet” und steht somit vor dem Aussterben. Es besteht dringender Handlungsbedarf zum Schutz des Feldhamsters.
- In Deutschland (Rote Liste 2020)
- Rote-Liste-Kategorie 1 Vom Aussterben bedroht
- Aktuelle Bestandssituation: sehr selten
- Langfristiger Bestandstrend: sehr starker Rückgang
- Kurzfristiger Bestandstrend: starke Abnahme
- ausgestorben in: Brandenburg, Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen
- Deutschland ist in besonders hohem Maße verantwortlich
- Benennung einzelner Risikofaktoren: Verstärkte direkte Einwirkungen, Fragmentierung/Isolation, Wiederbesiedlung in Zukunft sehr erschwert
- Weltweit (IUCN 2020)
- Vom Aussterben bedroht (Critically Endangered)
- Kurzfristiger Bestandstrend: Rückgang
Literatur
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